Kleine Anfrage: Haltung der Bundesregierung zum Kompromiss zur Patentaussetzung

Parlamentarische Initiativen

Global Health

Nach bald anderthalb Jahren liegt die Quote der gegen COVID-19 grundimmunisierten Personen auf dem afrikanischen Kontinent bei gerade mal knapp 17 Prozent. Ein Prozent der in Afrika eingesetzten Impfstoffe wird lokal hergestellt – und zwar bezogen auf alle Impfstoffe, nicht nur die gegen COVID-19. In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen werden im Schnitt gerade mal fünf Tests pro Tag pro 100.000 Menschen durchgeführt, womit der Zielwert von täglich 100 Tests pro 100.000 Personen der globalen Kampagne zur Bekämpfung von COVID-19 massiv verfehlt wird. Diese Fakten sind der Bundesregierung bekannt. Das Versagen bei der globalen Pandemiebekämpfung führt aber zu keiner Strategieänderung. Das wird mehr als deutlich in der Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Haltung der Ampel zu dem von zivilgesellschaftlichen Organisationen stark kritisierten Kompromissvorschlag für einen TRIPS-Waiver.

Der vorliegende Kompromissvorschlag weicht in entscheidenden Punkten vom ursprünglichen Antrag an die WTO von Indien und Südafrika ab. Anfang 2020 haben sie die vorübergehende Aussetzung von Patenten und geistigen Eigentumsrechten zur schnellen und global gerechten Bekämpfung der Pandemie gefordert: Für Impfstoffe, Therapeutika und Diagnostika für alle. Nun steht zur Debatte, ob Länder von der Möglichkeit der Patentaussetzung ausgeschlossen werden können – und zwar alle, die mehr als zehn Prozent der weltweiten Impfstoffe exportiert haben. Das aktuelle Papier verschiebt außerdem die notwendige Entscheidung über Diagnostika und Therapeutika in die Zukunft. Damit werden die neu entwickelten, lebensrettenden Medikamente weiterhin weltweit Menschen vorenthalten, weil sie durch die Patente überteuert und für zu viele nicht erschwinglich sind. Und: Gerade um Ausbrüche neuer Mutationen frühzeitig entdecken und bekämpfen zu können, braucht es die weltweite Verfügbarkeit von günstigen Tests jetzt und nicht erst irgendwann.

Anstatt sich endlich für eine vollumfängliche Verzichtserklärung auf die Rechte geistigen Eigentums einzusetzen, unterstützt die Bundesregierung den Kompromiss, der keiner ist. Sie bezeichnet ihn in ihrer Antwort sogar als ‘weitgehenden Schritt in Richtung einer weiteren Flexibilisierung geistiger Eigentumsrechte‘. Damit können die Hoffnungen darauf, dass sie sich für eine gerechte Pandemiebekämpfung einsetzt, endgültig begraben werden. Der Schutz von Konzerninteressen hat weiterhin eine höhere Priorität als der Schutz von Menschen. Darin unterscheidet sich die Ampel null von ihrer Vorgängerregierung.

Auch auf die Frage danach, mit welchen Akteur:innen es Gespräche bezüglich des Textes gab, wird diese Prioritätensetzung deutlich: Mit dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller und Boehringer Ingelheim haben sich das Bundeskanzleramt (auf Staatssekretärsebene) sowie zwei Ministerien ausgetauscht; mit NGOs gab es gerade mal ein virtuelles Gespräch mit der Abteilungsleitereben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dass eine abgespeckte Variante des TRIPS-Waivers kommt, dürfte im Interesse der Pharmalobby sein, denn damit werden nicht nur die Profite kaum angekratzt, sondern viel entscheidender: Der Debatte um Impfungen, Medikamente und Schutzausrüstung als öffentliche Güter wird mit diesem Scheinverzicht auf Patente ein Dämpfer verpasst. Deshalb: Lieber keinen Kompromiss als diesen schlechten!

Weitere Beiträge

ALLE ANSEHEN

Melden Sie sich zum Newsletter an

Datenschutzerklärung