Die Weltgesundheitsorganisation wird 75! Im Bundestag haben die Ampel-Regierungsfraktionen diesen Freitag darum einen Antrag beschlossen, der sich für eine Reform zur Stärkung der WHO ausspricht.
Aus wichtigen terminlichen Gründen konnte ich leider nicht persönlich an der namentlichen Abstimmung teilnehmen. Die Linksfraktion hat sich in der Bundestagsdebatte für eine starke WHO ausgesprochen. Bei der namentlichen Abstimmung hat sich die Fraktion enthalten. Eine Zustimmung war inhaltlich kein Problem. Allerdings hat die Forderung an die Bundesregierung, Taiwan in der Organisation einen offiziellen Beobachterstatus einzuräumen und damit „große Außenpolitik durch die Hintertür“ zu machen für die Empfehlung gesorgt sich bei der richtigen Parlamentsinitiative zu enthalten. Ich selbst hätte dem Antrag meine Zustimmung gegeben. Ich halte es für dringend notwendig auf internationale Ebene eine Organisation zu haben, die die Gesundheitspolitik der Staaten koordiniert, berät und Empfehlungen abgibt. Vor allem aber mit ihren Gesundheitsprogrammen den Menschen im globalen Süden vor Krankheit und Leiden schützt. Und ich finde es wichtig, ein starkes Zeichen gegen die AfD zu setzen.
Kurz zum Inhalt des Antrages: Während der Covid-19-Pandemie sei klar geworden, dass der internationalen Gesundheitsorganisation die Fähigkeiten fehlten, ihren Auftrag globalen Gesundheitsschutzes vollumfänglich zu erfüllen. Es benötige darum Reformen sowie politische, personelle und finanzielle Unterstützung. Der WHO fehlten kalkulierbare und flexible Mittel, um ihre Führungsrolle in der globalen Gesundheitspolitik auszufüllen, die nötige Expertise bereitzustellen und adäquat auf Notlagen zu reagieren. Fast 80 Prozent des WHO-Haushalts seien freiwillig und zweckgebunden, so der Antrag. Die Covid-19-Pandemie als eine globale Bedrohung habe gezeigt, dass die WHO in der Pandemieprävention, -vorsorge, und -reaktion gebraucht wird. Darum fordert der Antrag von SPD, Grünen und FDP, dass die Bundesregierung die geplante Anhebung der staatlichen Pflichtbeiträge auf einen Anteil von 50 Prozent des Kernbudgets der WHO bis spätestens 2030/2031 unterstützen soll. Auch wird gefordert auf institutioneller Ebene Reformen der WHO weiter zu entwickeln, um Regierungsfähigkeit, Effizienz, Unabhängigkeit, Kapazität, Rechenschaftspflichten und die Durchsetzungsfähigkeit von Regeln zu stärken. Auch die Zusammenarbeit mit globalen Partnern soll vertieft werden, die verschiedenen Weltregionen wie Länder des globalen Südens innerhalb der WHO finanziell und strukturell gestärkt werden. Auch die Folgen der Klimakrise auf die Gesundheit der Menschen sollen durch Reformen stärker ins Auge genommen werden.
Man muss wissen, dass die AfD nicht erst seit gestern eine Hetzkampagne gegen die WHO fährt. Die Corona-Pandemie hat sie genutzt, um ihre antidemokratische Agenda weiter auszubauen und Ängste zu schüren. Zu laufenden WHO-Verhandlungen (Pandemie-Vertrag und Reform der Organisation) werden jetzt neue und alte Fake-News und Verschwörungen verbreitet. Es drohe eine „Gesundheitsdiktatur“, die WHO übernehme per „Machtübernahme“ das Kommando, die Menschen würden für die Gewinne der Pharmariesen versklavt und vergiftet. Um diese Drohkulisse zu untermauern wird etwa von fehlender Transparenz und Entscheidungen in dunklen Hinterzimmern fantasiert. Richtig ist: Delegationen aus 194 Staaten beraten im World Health Assembly, um die weltweite Zusammenarbeit und Solidarität im Pandemiefall zu verbessern und Menschenleben zu schützen. Der Verhandlungsstand und Entwürfe stehen für jeden einsehbar online im Internet. Die Wirklichkeit interessiert die AfD nicht. Diese Partei in Deutschland und rechtsextreme Parteien in anderen Ländern sind stattdessen dabei, eine neue und für Mensch und Demokratie gefährliche Schmutzkampagne zu fahren. Das laute AfD-Geschrei und anderer Demokratiefeinde vor einer vermeintlich globalen kleinen Machtelite, die irgendwo heimlich die Strippen zieht und die Menschheit in Komplizenschaft mit der Pharmaindustrie in eine vermeintliche Gesundheitsdiktatur zwingt bedient, wie schon zu Corona-Zeiten, übelste antisemitische Muster. Und befeuert damit die älteste und mörderischste Verschwörungstheorie überhaupt.
Zudem wird von der AfD behauptet, die Zivilgesellschaft sei bei der WHO außen vor. Der Ausschluss der Zivilgesellschaft ist nichts als ein freches Märchen. Fakt ist, was jeder auf der WHO-Internetseite einsehen kann: Am Verhandlungsprozess nehmen wie üblich neben UN-Institutionen, regionalen Staatenbündnissen, 44 internationalen öffentlichen Organisationen aus allen Weltregionen an die zweihundert Organisationen der Zivil- und Verbändegesellschaft teil. Des Weiteren werden über 100 Forschungsinstitute, Universitäten, NGO und andere Akteure zum Thema zu öffentlichen Anhörungen, Beteiligung über Internet und Sitzungsteilnahmen einbezogen.
Eine weitere AfD-Lüge ist, dass die WHO an einem Abbau nationaler Souveränität der Staaten arbeite, also die Demokratie in Deutschland abschaffen wolle. Das Gerede um den vermeintlichen Verlust nationaler Souveränität ist absoluter Unsinn, den die AfD für ihre Verdummungserzählung vom vermeintlichen Untergang Deutschlands braucht wie die Luft zum Atmen. Ein Blick in die bisherigen WHO-Entwürfe zum Pandemie-Vertrag reicht, um diese Behauptung als Schauermärchen zu entlarven: Im ersten Satz wird wenig überraschend die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten bezüglich öffentliche Gesundheit und der Bekämpfung von Pandemien, im zweiten Satz die Gültigkeit des Völkerrechts festgeschrieben. Wieder einmal zeigt sich: Für ihre politischen Ziele betreibt die AfD Hetze und gezielte Desinformation auf Kosten von Menschenleben und friedlichem Zusammenleben. Bei aller möglichen und notwendigen Kritik für eine Verbesserung demokratischer Prozesse auf internationaler Ebene gilt für mich: Wer die WHO als Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit diesen Lügen und in diesem Ton angreift, der greift die demokratischen Institutionen des Völkerrechts insgesamt an.
Auch wenn die Linksfraktion im Bundestag dem Ampel-Antrag zur WHO-Reform nicht zugestimmt hat, so unterstützt sie dennoch die WHO und ihre Maßnahmen. Unsere bekannte Kritik an der Finanzierung durch die Privatwirtschaft bleibt davon unberührt. Die Linksfraktion macht sich für eine demokratische Stärkung internationaler Organisationen ein. Und streitet für eine Verbesserung der internationalen Bekämpfung von Pandemien durch Kooperation und Nothilfe, insbesondere für eine solidarische Impfstoffverteilung und Medikamenten von den reichen Industriestaaten hin zu den armen Gesellschaften des globalen Südens.
Wer sich tiefer in die Materie einlesen mag findet hier und hier weitere Faktenchecker. Viel Spaß! Und bleibt gesund!
Cornelia Möhring ist Mitglied im Unterausschuss für Globale Gesundheit und entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.