Entwicklungszusammenarbeit als Instrument globaler Umverteilung einsetzen

Reden

Globale Gerechtigkeit

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerin! Ich möchte die erste Rede zu diesem Themenbereich nutzen, Sie persönlich und auch im Namen meiner Fraktion zum neuen Amt zu beglückwünschen.

Das ist tatsächlich ein sehr gewaltiges Aufgabengebiet: Bekämpfung von Hunger und Armut, Schutz des Klimas, faire, menschenrechtskonforme Arbeitsbedingungen, existenzsichernde Löhne, globale Gesundheit, reproduktive Gerechtigkeit, um nur ein paar der Themen zu nennen. Wir sind uns einig, dass die weltweiten Krisen und Konflikte, die Klimakatastrophe und die Pandemie das alles erschweren, aber zugleich Lösungen umso dringlicher machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Dringlichkeit zeigt sich auch in der wachsenden sozialen Ungleichheit: Die acht reichsten Menschen auf der Welt besitzen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, also acht Menschen, die mehr besitzen als 4 Milliarden. Im Jahr 2020 litten fast 1 Milliarde Menschen an Hunger; mehr als 2 Milliarden Menschen leben von weniger als 2 Dollar am Tag. Ich wähle bewusst diesen Vergleich, weil sich darin die wesentlichen Ursachen der Ungleichheit zeigen, nämlich die ungerechte Verteilung von Eigentum und Vermögen und von Eigentum an Grund und Boden; Profite gehen vor Bedürfnisbefriedigung der riesengroßen Mehrheit der Menschen. So entstehen soziale Ungleichheit und Armut; ein Teufelskreis beginnt, der natürlich durch die Vielfachkrisen verschärft wird.

Genau das muss sich doch umkehren! Hier sehe ich aber leider deutlich zu wenig Initiativen im Koalitionsvertrag. Gerechte Handelsbeziehungen, die Trockenlegung von Steueroasen und Steuergerechtigkeit sind notwendige Schritte für mehr globale Gerechtigkeit; aber auch internationale Konzerne wie Ikea, Bayer, BASF, Textilunternehmen wie Zara und viele weitere müssen einfach stärker an der Entwicklung der Länder beteiligt werden, von deren Ausbeutung sie doch massiv profitieren.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Durch Steuervermeidung und Steuerflucht gehen gerade den Ländern, die so dringend die Mittel für ihre Entwicklungsfinanzierung brauchen, Zigmillionen oder sogar Milliarden verloren, oft übrigens mehr, als sie an Entwicklungsgeldern erhalten. Auch deshalb wäre eine Unterfinanzierung im entwicklungspolitischen Bereich nicht hinnehmbar. Also, falls Sie da tatsächlich nachverhandeln müssen, Frau Ministerin, werden Sie unsere volle Unterstützung haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir Linke wollen aber nicht nur mehr, wir wollen anders finanzieren. Denn Entwicklungspolitik muss als solidarische Zusammenarbeit auf Augenhöhe verstanden werden. Sie muss konsequent an den Menschenrechten und den Bedürfnissen der Menschen in den ärmeren Ländern orientiert sein, und zwar nicht als verlängerter Arm der Wirtschaft, sondern, im Gegenteil, als Instrument der globalen, gerechten Umverteilung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gäbe jetzt zu vielen Themen in diesem Feld etwas zu sagen. Das geht leider nicht; deswegen abschließend noch etwas zur akutesten Aufgabe, der Impfgerechtigkeit. Das Menschenrecht auf Gesundheit darf weder vom Goodwill der Pharmaunternehmen oder von privaten Stiftungen abhängen noch davon, ob reiche Staaten noch ein paar Impfdosen übrig haben. Ein Recht muss umfassend eingelöst werden. Medikamente, Impfstoffe, Medizingeräte müssen dem Markt entzogen werden, weil sonst die Gefahr viel zu groß ist, dass sie als Gelddruckmaschinen missbraucht werden.

Gestern hat die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Gesundheitsministerium, die Kollegin Heike Baehrens, doch gesagt, wie es ist: Unternehmen wie Pfizer und Moderna verdienen derzeit pro Sekunde 1 000 Dollar – Sie können das ja mal hochrechnen: in der Stunde unserer Debatte sind das übrigens schon 3,6 Millionen –, und trotzdem sind Impfstoffe noch nicht gerecht in aller Welt verteilt. Die Alternative ist der Aufbau und die Nutzung regionaler Produktionsstätten für die regionale Verteilung.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das passiert doch die ganze Zeit! Mein Gott! Märchenstunde ist das jetzt! Unglaublich!)

Frau Ministerin Schulze, damit Impfdosen weltweit in die Oberarme kommen, müssen dafür die Patente ausgesetzt und muss ein umfassender Technologietransfer verwirklicht werden.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

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